MS bei mir

Wie gestaltet sich mein Leben mit MS

Also im Großen und Ganzen geht es mir recht gut.
Ich habe für mich entdeckt, dass das Leben mit einer chronischen Erkrankung nicht unbedingt schlechter ist als früher, nur eben ganz anders...

Zu Beginn der Erkrankung war mir überhaupt nicht klar, was denn alles noch diesbezüglich auf mich zukommen würde. Und ebenso wenig, dass es wirklich eine absolute Herausforderung werden wird. In den Jahren seit der Diagnose bin ich in die MS reingewachsen. Jeden Tag ein bisschen mehr. Heute im Rückblick kann ich sagen, dass es tatsächlich eine große Leistung für jeden an MS erkrankten Menschen ist, sich mit seiner neuen Situation - die ja alle! Lebensbereiche betrifft – auseinanderzusetzen und sich gleichzeitig eine gute, zufriedenstellende Lebensgrundlage zu schaffen.

Durch die Diagnose und den Verlauf der Krankheit wurde mein Freundes- Familien-und Bekanntenkreis auf den Prüfstand gestellt; er erfuhr eine Neuordnung. Oberflächliche Beziehungen überlebten nicht mehr lange, manchmal gab es schmerzhafte Trennungen. Die substantiellen Freundschaften blieben aber erhalten und bekamen eine neue Qualität.

Als ich noch gesund voll im Job war und Freizeit wirklich ein seltenes und kostbares Gut darstellte, habe ich mir so manches Mal gewünscht, einfach arbeitslos zu sein. Um endlich all die Dinge zu machen, für die im hektischen Berufsleben kein Raum mehr blieb. In meiner Phantasie damals wollte ich dann viel Sport machen, wandern, reisen und mich draußen bewegen. Sport und Bewegung waren meine großen Hobbys.

Bei all diesen Überlegungen wäre ich ja nie im Traum darauf gekommen, dass krankheitsbedingt der ganze Sport- und Outdoorbereich einmal wegfallen könnte, bzw. nur noch sehr eingeschränkt für mich nutzbar ist. Auch nicht, dass ich einmal für jeden „Schritt“ draußen eine Begleitung brauchen würde, weil das mit dem Rollstuhl in dieser barrierereichen Umwelt alleine nur sehr bedingt funktioniert. Lange Jahre war ich mit zwei Unterarmgehstützen unterwegs, heute bin ich überwiegend auf den Rollstuhl angewiesen. Ich finde, ich mache in diesem Ding eine gute Figur.

Foto von Ralf Bothge
Durch den allgemeinen Mobilitätsverlust stoße ich allerdings immer wieder an meine Grenzen. Das hätte ich mir in dem Maße gar nicht vorgestellt, obwohl ich doch zehn Jahre beruflich mit körperbehinderten Menschen gearbeitet habe. Zähle ich meine ehrenamtlichen Tätigkeiten dazu, sind es sogar zwanzig.

Meine körperliche Belastbarkeit ist mittlerweile herabgesetzt, womit ich manchmal nicht gut zurechtkomme. Von früher bin ich es gewohnt für meine Belange alleine einzustehen, mein Geld ohne fremde Hilfe zu verdienen und mein eigenes Ding zu machen. Heute muss ich immer überlegen, ob meine körperliche Konstitution meinen Aktionismus überhaupt zulässt und muss oft um Hilfe fragen. Das fällt mir gar nicht leicht. Ist halt ganz anders als früher.

Aber es gibt viele Phasen, in denen es mir körperlich gut geht und ich einem „geregelten“ Tagesablauf nachgehen kann. Die Vormittage sind angefüllt mit Krankengymnastik, Yoga zur körperlichen Beweglichkeit und Entspannung oder Konsultationen bei meiner Heilpraktikerin. Und natürlich mit irgendwelchem Bürokrimskrams.

Die Nachmittage brauche ich um mich zu erholen, um mich mit Freunden zu treffen oder Kraft zu tanken, um ggf. abends diversen Aktivitäten nachgehen zu können. Es gibt nämlich neue Hobbys. Trommeln und Rollstuhltanz sind im Augenblick meine Favoriten. Aber auch Yoga und alles, was mit einer bewussten Lebensführung zu tun hat. So fahre ich manchmal auf tantrische Sommerfeste oder zu verschiedenen Workshops, die alle die Erweiterung meiner Grenzen zum Thema haben. Das lässt mich aufleben.


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